Hüllen

Hüllen – verhüllen – leere Hüllen

Die Enthüllungen der Wahrheit interessieren, die Aufdeckungen der Mysterien faszinieren. Die Neugier auf das Versteckte, das Nicht-Sichtbare ist ein urmenschliches Phänomen. Verhüllungen sind wesentliche Zeichen von Kult, Magie, Mysterium. Sie stillen das Verlangen des Menschen nach Materiellem, nach Greifbarem oder Begreifbarem. Sie verklären Inhalte und erhöhen ihre Wertschätzung. Wobei das Wesentliche oft unsichtbar bleibt.  Und – sie verändern die Wahrnehmung. Es bedarf des durchdringenden Blickes auf der Suche nach der Wirklichkeit jenseits des Scheins. Am Ende bleiben leere Hüllen: offene Fragen und Andeutungen von Abwesenheit?

Hüllen – eingreifen – in mir nichts
Große boots- und sackartige Körperhüllen aus aufgefalteten weißen Mullkompressen genäht greifen ineinander oder hängen in verschiedenen Formationen zueinander. Die Textur der Gewebe und Nahtlinien unterscheiden sich aufgrund der Gazegrößen und Auffaltungen und bieten transluzente und opake Bereiche. Die Hüllen hängen bewusst instabil und sind beweglich durch leichte Luftzüge. Sie offenbaren Interferenzen in den Nahtrastern oder Netzstrukturen in denen sich Falten und Überlagerungen ergeben. Der Gedanke an innerer Emigration und Suche nach Geborgenheit liegt diesen Hüllungen inhaltlich zugrunde.

 

 Der Mensch ist ein Hüllenwesen. Seine unmittelbare erste Hülle bildet die Haut. Sie umschließt den als Mikrokosmos verstandenen menschlichen Körper. Die Kleidung dient als seine zweite Hülle, seine dritte ist das Haus und seine vierte die Umwelt bzw. der Kosmos. Die Welt, der Kosmos wird als etwas Umschließendes verstanden. Der Mensch hat ein natürliches Bedürfnis sich Hüllen und Umhüllungen als (vermeintliche) Schutzmaßnahmen oder Statussymbole zu schaffen. Unsere Hüllen sind fragil, instabil und verletzlich.

 

 

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